Montag, 9. November 2020

es ist ok

Manchmal kann das Leben schwer sein. 

Wenn man Sorgen und Ängste hat, die Zukunft nur ein ungewisser, rauschender Nebel ist und niemand einem ein Wegweiser sein will, da kann es schwer sein. Wenn die Welt aus mehr Schatten als Licht besteht, kann es schwer sein, sich selbst als Leuchte zu dienen. 
Aber irgendwo wird immer irgendjemand sein, dem es genau so geht. Wir sind nicht allein. 
Auch, wenn sich das in diesen Momenten vielleicht genau danach anfühlt. 

Das Leben kann auch schwer sein, wenn du nicht alleine bist, wenn du Menschen um dich herum hast, die dich lieben und die du liebst, wenn du eigentlich sogar sehr glücklich bist. Wenn du ein zu Hause hast, Essen und Einkommen gesichert sind und geliebt wirst, auch dann kann das Leben schwer sein. Auch dann kann die Zukunft nur ein ungewisser, rauschender Nebel sein. Und auch dann kannst du Angst haben und dich alleine fühlen. Obwohl andere vielleicht sagen, dass du dazu überhaupt keinen Grund hast. 

Und das ist vollkommen ok. 

Irgendwie geht es uns doch gerade allen so oder? 
Jetzt, wo die Corona-Zahlen wieder steigen und jeder für sich selbst damit kämpft, einen guten, ja, wenn nicht sogar objektiv perfekt wirkenden Weg zu finden, auf dem man sich sicher fühlt und den man guten Gewissens gehen kann, in dieser Zeit von social distancing und jeden Tag neuen Rekordzahlen. 
Jetzt, wo die Gesellschaft sich spaltet zwischen Pandemieleugnern und Wissenschaft-Anerkennenden. 
Jetzt, wo "gutes Handeln" so kompliziert ist.
Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Orientalismus, Post-Kolonialismus, Diskriminierungen, Romantisierungen.
Zappelnd zwischen dem Wunsch nach einer endlich gerechten Welt, zwischen dem Drang nach Aufarbeitung und Chancengleichheit und zwischen dem Ideal von kindlich unbeschwertem Leben, ist es schwer, eine Lösung zu finden. Und irgendwie suchen wir doch alle eine Lösung oder? 
Jetzt, wo die Welt brennt, die Lungen unserer Heimat genauso kollabieren wie die der Patienten auf den Intensivstationen -ist das jetzt makaber?-, jetzt ist es so einfach wie auch schwer, die Augen vor allem Leid zu verschließen. 
Jetzt, wo ich mich schon fragen muss, ob es makaber ist, zu sagen, dass die Lungen unseres Planeten quasi nicht mehr arbeiten, wobei das noch nur ein kleiner Aspekt der ganzen Krise ist. 

Das Leben kann gerade ganz schön schwer wirken und es ist ok, das zuzugeben. Und genauso ok ist es, sich schwach zu fühlen, obwohl viele viele Personen noch schlechter dran sind als man selber. 
Denn aus dieser Schwäche, aus dem Annehmen unserer Emotionen können wir die Stärke ziehen, die wir gerade so sehr brauchen. 

Wir müssen stark sein für die Menschen, die wir lieben, für die Menschen, die gerade leiden und alles zu verlieren scheinen, wir müssen stark sein, für die, die schwach sind, als schwach angesehen werden oder gezielt geschwächt werden. Wir müssen stark sein für unser Miteinander. Stark sein für uns. 
Zuhören und reden, helfen und Hilfe zulassen, mitfühlen und Mut zu Gefühlen haben. 

Ich bin mir sicher, dass unser Leben dadurch nicht mehr ganz so schwer wirkt.